Whistleblower Richtlinie in Griechenland | Überblick zur Umsetzung der EU-Hinweisgeber-Richtlinie Nr. 2019/1937 in Griechenland

Umsetzung der europäischen Hinweisgeber-Richtlinie in Griechenland durch Gesetz Nr. 4990/2022

Das am 11.11.2022 in Kraft getretene griechische Gesetz Nr. 4990/2022 setzt die EU-Hinweisgeber-Richtlinie Nr. 2019/1937 um und schafft einen Schutzrahmen für Hinweisgeber, die Verstöße gegen EU-Recht melden.

Es sieht insbesondere die Schaffung von vertraulichen internen und externen Meldewegen, den Schutz von Hinweisgebern vor Vergeltungsmaßnahmen sowie Sanktionen im Fall von Zuwiderhandlungen gegen das Gesetz vor.

Persönlicher Anwendungsbereich

In persönlicher Hinsicht gilt das Gesetz für Hinweisgeber, die Mitarbeiter im öffentlichen oder privaten Sektor sind, wobei der Begriff des Arbeitsverhältnisses weit gefasst ist und sowohl weisungsgebundene Arbeitnehmer als auch Selbstständige, sowohl Gesellschafter und Mitglieder des geschäftsführenden Organs als auch Praktikanten umfasst, sowie Personen, die nach Anweisung von beauftragten Unternehmen, Subunternehmen und Zulieferern arbeiten.

Auch bestimmte Dritte, die mit dem Hinweisgeber in besonderer Weise verbunden sind (Kollegen, Verwandte, Vermittler, Einzelunternehmen oder juristische Personen, an denen der Hinweisgeber beteiligt ist, für die er arbeitet oder mit denen er auf andere Weise durch ein Beschäftigungsverhältnis verbunden ist) fallen unter den Schutz des Gesetzes, sofern sie auch von Vergeltungsmaßnahmen betroffen sein können.

In zeitlicher Hinsicht ist nicht erforderlich, dass das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Mitteilung des Hinweises schon oder noch besteht: So sind auch Hinweisgeber geschützt, die erst nach Beendigung bzw. schon vor Beginn des Arbeitsverhältnisses Hinweise weitergeben (z.B. Bewerber, Rentner).

Sachlicher Anwendungsbereich

Inhaltlich vom Schutz des Gesetzes umfasst sind Verstöße gegen EU-Recht in den folgenden Bereichen:

  • Vergabe öffentlicher Aufträge
  • Finanzdienstleistungen, -produkte und -märkte, sowie die Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung
  • Produktsicherheit und Compliance
  • Transportsicherheit
  • Umweltschutz
  • Strahlenschutz und nukleare Sicherheit
  • Lebens- und Futtermittelsicherheit sowie Tierschutz und Tiergesundheit
  • Schutz der öffentlichen Gesundheit
  • Verbraucherschutz
  • Schutz der Privatsphäre und der personenbezogenen Daten sowie der Sicherheit von Netz- und Informationssystemen
  • Verstöße gegen die finanziellen Interessen der Union
  • Verstöße gegen die Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes

Vom Schutz des Gesetzes nicht umfasst sind dagegen Verstöße gegen EU-Recht in den Bereichen:

  • Verteidigungs- und Sicherheitsfragen
  • Verschlusssachen
  • Rechts- und Arztgeheimnisse
  • Vertraulichkeit von Richterkonferenzen und andere vertrauliche Verfahren
  • Strafprozessordnung
  • Ausübung von Arbeitnehmerrechten in Bezug auf die Beratung durch Arbeitnehmervertreter oder Gewerkschaften, sowie mögliche daraus resultierende nachteilige Maßnahmen, sowie die Autonomie der Tarifpartner und ihr Recht, Tarifverträge abzuschließen

Arten von geschützten Hinweisen

Vom Gesetz erfasst ist die Weitergabe von Informationen, einschließlich des begründeten Verdachts, über Rechtsverstöße in Organisationen, in denen der Beschwerdeführer arbeitet, gearbeitet hat oder arbeiten wird oder anderen Organisationen, mit denen er im Rahmen seiner Arbeit in Kontakt kommt, einschließlich von Informationen über den Versuch, solche Verstöße zu vertuschen.

Weitere Bedingungen:

  • Zum Zeitpunkt der Meldung muss der Hinweisgeber berechtigten Grund zu der Annahme haben, dass die gemeldeten Informationen der Wahrheit entsprechen und in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen; das gilt unabhängig davon, wie die Meldung erfolgt ist (intern, extern, durch öffentliche Bekanntgabe oder durch direkte Meldung an die betreffenden Organe und Einrichtungen der EU).
  • Anonym gemeldete Informationen sind dann erfasst, wenn der anonyme Hinweisgeber nachträglich identifiziert wird und deswegen Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt ist.

Verpflichtungen für Unternehmen des privaten Sektors – Interner Meldeweg

Private Unternehmen mit 50 oder mehr Arbeitnehmern sind – unabhängig von ihrem konkreten Tätigkeitsbereich – dazu verpflichtet, einen internen Meldeweg einzurichten, der die Anonymität und den Schutz des Hinweisgebers sicherstellt.

Unabhängig von der Mitarbeiterzahl treffen dieselben Verpflichtungen Unternehmen, die in den folgenden Bereichen tätig sind:

  • Finanzdienstleistungen, Produkte und Märkte, Verkehr und Umwelt; außerdem Unternehmen, die auf Basis einer Entscheidung über die Genehmigung von Umweltbedingungen tätig sind oder deren Tätigkeit aufgrund ihrer Beschaffenheit eine Gefahr für die Umwelt und die öffentliche Gesundheit darstellen kann
  • Das Gesetz sieht vor, dass durch einen gemeinsamen Beschluss des Justizministers und eines weiteren zuständigen Ministers noch genauer festgelegt wird, welche Steuerklassen von Unternehmen unter die eben aufgelisteten Tätigkeitsbereiche fallen und entsprechend gesetzlich verpflichtet sind 

Interner Meldeweg – weitere Einzelheiten

Es besteht die Verpflichtung, einen Meldebeauftragten zu benennen, der Meldungen entgegennimmt und bearbeitet.

Unternehmen mit 50 bis 249 Angestellten können einen gemeinsamen Meldebeauftragten bestellen.

Die Amtszeit des Melde-Beauftragten beträgt mindestens ein Kalenderjahr; eine vorzeitige Beendigung ist nur aus wichtigem Grund möglich.

Der Melde-Beauftragte kann selbst Mitarbeiter des Unternehmens oder ein außenstehender Dritter sein. In beiden Fällen untersteht der Beauftrage unmittelbar dem höchsten Leitungsorgan des Unternehmens.

Der Beauftragte ist verpflichtet, seine Tätigkeit transparent und unparteilich auszuüben.

Bestimmte Personen, z.B. Personen gegen die Strafen oder Disziplinarmaßnahmen von bestimmter Art und Gewicht verhängt wurden, dürfen das Amt nicht ausüben.

Der Hinweis muss auf schriftlichem, mündlichem und elektronischem Weg gemeldet werden können und der Weg muss auch für Menschen mit Behinderungen zugänglich sein.

Der mündliche Hinweis kann per Telefon oder über andere Sprachnachrichtensysteme sowie durch ein persönliches Treffen mit dem Melde-Beauftragten abgegeben werden.

Es sind strenge Geheimhaltungs- und Datenschutzvorschriften zu beachten.

Außerdem ist, unter Wahrung eben dieser strengen Vertraulichkeitsvorschriften, jeder eingegangene Hinweis zu vermerken und der Vermerk ist für eine bestimmte Zeit aufzubewahren.

Weiter ist erforderlich, dass die Mitarbeiter über das Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes sowie über den unternehmensintern eingerichteten Meldeweg und die diesbezüglichen Datenschutzbestimmungen informiert werden.

Das kann zum Beispiel durch die Implementierung und Bekanntmachung einer diesbezüglichen Unternehmens-Policy geschehen.

Durch die Einrichtung des internen Meldewegs soll die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers sichergestellt werden und dieser soll vor Vergeltungsmaßnahmen geschützt werden.

Weitere Arten von Meldewegen

Neben diesem internen Meldeweg sieht das Gesetz noch einen externen Meldeweg an die zuständige sog. „Nationale Transparenz-Behörde“ vor.

Die öffentliche Bekanntmachung ist von Gesetzes wegen das letzte Mittel und fällt dann unter den gesetzlichen Schutz, wenn der interne und der externe Meldeweg versagen.

Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen

Das Gesetz verbietet jede Form von Vergeltungsmaßnahmen – z.B. Suspendierung oder Kündigung – gegen den Hinweisgeber und auch die Drohung hiermit.

Wenn dem Hinweisgeber solche Vergeltungsmaßnahmen als Reaktion auf seinen Hinweis widerfahren, sind diese Maßnahmen nach dem Gesetz null und nichtig.

Außerdem besteht ein Anspruch auf Schadensersatz.

Zudem hat der Hinweisgeber einen Anspruch auf kostenlose Rechtsberatung und kostenlosen Rechtsbeistand, um sich gegen Vergeltungsmaßnahmen zur Wehr zu setzen.

Zwingendes Recht

Die Regelungen des Gesetzes sind zwingendes Recht und können – weder durch Vertrag noch in anderer Weise – abbedungen werden.

Sanktionen bei Zuwiderhandlung

Das Gesetz sieht für Zuwiderhandlungen gegen das Gesetz sowohl Geldbußen als auch, in bestimmten schwereren Fällen, strafrechtliche Sanktionen vor.

Übergangs- und Umsetzungsbestimmungen

Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten müssen der Verpflichtung zur Einrichtung eines internen Meldeweges und Bestellung eines Melde-Beauftragten bis zum 17.12.2023 nachkommen und die Erfüllung dieser Vorgaben innerhalb von 2 Monaten der zuständigen Arbeits-Aufsichtsbehörde mitteilen.

Unternehmen mit mehr als 249 Beschäftigten müssen der Verpflichtung zur Einrichtung eines internen Meldekanals innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes nachkommen, also bis spätestens 11.05.2023, und die Erfüllung der Vorgaben ebenfalls innerhalb von 2 Monaten der Arbeits-Aufsichtsbehörde mitteilen.

Unternehmen, die ohne Rücksicht auf ihre Beschäftigtenzahl allein wegen ihres Tätigkeitsbereichs unter den gesetzlichen Anwendungsbereich fallen (Finanzdienstleistungen etc.), müssen die Vorgaben an sich sofort umsetzen. Praktisch besteht jedoch eine gewisse Vorbereitungszeit, bis die oben erwähnte gemeinsame Minister-Entscheidung erlassen wird.

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